Kurz nach der Veröffentlichung von Seid alle herzlich gegrüßt, Eure Minnie habe ich das erste Mal das Auswandererhaus in Bremerhaven besucht. Erst dort verstand ich, warum Großtante Minnie auf keinen Fall dritter Klasse in die USA einreisen wollte. In Blogbeitrag Bitte nicht dritter Klasse habe ich damals meine Impressionen zusammengefasst.
Im Herbst 2021 hatte ich nun die Gelegenheit zu einem weiteren Besuch. Die Ausstellung im Auswandererhaus wurde erst kürzlich deutlich erweitert und in Teilen neu gestaltet. Das Konzept und die Neuausrichtung sind vielfach beschrieben worden, daher möchte ich im Folgenden auf eine andere wichtige Seite des Hauses aufmerksam machen: die Bibliothek mit ihren verborgenen Schätzen.
Grundstock der Bibliothek ist der Bestand des Amerika-Hauses, den der "Freundeskreis Deutsches Auswandererhaus e.V." vor mittlerweile fast 30 Jahren übernahm. Durch Ankäufe und Schenkungen von Privatpersonen oder Unternehmen wurde dieser Bestand ergänzt. Zur Eröffnung am 8. August 2005 erfolgt die Übergabe von über 2.500 Büchern an das Auswandererhaus. Heute befindet sich in der Bibliothek eine beeindruckende Sammlung an Fachliteratur und Quellen zur Migrationsgeschichte, welche die Arbeit vieler Forschender auch jenseits des Hauses bereichert: von Sammelbänden und Monografien über historische Auswandererführer und aktueller Fachliteratur bis zu Quellen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses in Deutschland der vergangenen Jahrzehnte. Mittlerweile umfasst die Bibliothek 6.500 Medien, davon 5.000 Bücher. Der Sammelschwerpunkt ist die historische und aktuelle Migration vom 18. bis ins 21. Jahrhundert.
Eine Besonderheit ist die umfangreiche Sammlung von 460 Graphiken, die zwischen 1850 und 1900 in verschiedenen Magazinen und Zeitschriften veröffentlicht wurden. Sie illustrieren alle Situationen des Auswanderungsprozesses, vom Abschied in der Heimat bis zur Niederlassung in der neuen Welt. Diese Grafiksammlung ist eine der bedeutendsten in Deutschland. Außerdem baute der Freundeskreis ein umfangreiches Archiv an Auswandererbriefen auf.
Mit dem achten Geburtstag des Auswandererhauses am 8. August 2013 wurde der Zugang zu dieser Sammlung für die Öffentlichkeit ermöglicht. Seither befindet sie sich als Präsenzbibliothek im Max-Kade-Saal des historischen Seeamtes (Öffnungszeiten nach Vereinbarung).
Bei meinem zweiten Besuch im Auswandererhaus habe ich als Geschenk ein Exemplar von Minnies Lebensgeschichte hinterlassen - eine weltumspannende Lebensgeschichte, die ich anhand der Briefe, die Minnie an ihren Bruder schickte, nacherzählen konnte. „Für Ihre Schenkung möchten wir uns herzlich bedanken und nehmen Ihr Buch gerne in unsere Bibliothek auf“, war ein paar Tage später die Antwort auf meine Nachfrage, ob Minnie wohlbehalten in der Bibliothek angekommen sei.
Ich bin überzeugt, Minnies Lebensgeschichte hat ein sehr würdiges Zuhause gefunden!