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Bitte nicht dritter Klasse

Ellis Island mit Blick auf die Skyline von New York (Quelle: Pixabay, https://pixabay.com/de/ellis-island-new-york-city-skyline-898932/)
Ellis Island mit Blick auf die Skyline von New York (Quelle: Pixabay, https://pixabay.com/de/ellis-island-new-york-city-skyline-898932/)

Auswandern nach Amerika in den späten 1920er Jahren war kein Vergnügen. Für Passagiere dritter Klasse war Ellis Island, im Hafen von New York mit Blick auf die Skyline, eine zwingende Zwischenstation. Das Ziel Amerika zum Greifen nah, mussten die Einreisewilligen dort manchmal nur ein paar Stunden, teilweise aber auch mehrere Tage ausharren. Jederzeit bestand die Gefahr, zurück nach Europa geschickt zu werden.

 

 

 

 

 

Minnie berichtete in ihren Briefen, dass sie froh war, nicht dritter Klasse in die USA einzureisen. Das habe ich zwar verstanden, so richtig nachvollziehen konnte ich das aber zunächst nicht. Also machte ich mich auf den Weg nach Bremerhaven, ins Auswandererhaus. Dort sind verschiedene Stationen der Auswanderung von Europa in die USA anhand von real ausgewanderten Personen nachgestellt. Der erste Schauer lief mir schon über den Rücken, als wir auf das Schiff gingen – eine in Geräusch und Bild sehr eindringlich wirkende Abschiedsszene.
 

Nach einer langen Überfahrt (anfangs 30 Tage, später etwa eine Woche) hieß es für Passagiere der dritten Klasse „Aussteigen in Ellis Island“. Jede Person wurde befragt und ärztlich untersucht. Mit Altersschwäche, einer psychischen Krankheit oder entzündeten Augen war die Aussicht auf Einwanderung in die USA sehr schlecht. Wer auffiel, bekam ein Kreidezeichen auf die Kleidung gemalt und wurde noch intensiver untersucht. Die Einreise konnte sich so über mehrere Tage hinziehen.

 

Diese Szene ist in Bremerhaven beeindruckend, beängstigend, unheimlich realistisch dargestellt: Durch einen langen gekachelten Gang gelangten die Einreisewilligen in die Räume der Einwanderungsbehörde und landeten in einem mit Gittern unterteilten Raum. Dort musste jeder Einreisende warten bis er aufgerufen wurde. Die anschließenden 29 Fragen wurden so schnell gestellt, dass kaum Zeit zum Nachdenken blieb. Oft wurden hier auch fremd klingende Namen vertauscht oder falsch geschrieben und so zum neuen Familiennamen.

 

Immigrants at Ellis Island, N.Y.; From The New York Public Library; Free to use without restriction
Die Einreisewilligen warten auf ihre Registrierung in der großen Halle auf Ellis Island (Quelle: New York Public Library, https://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e0-cd4f-a3d9-e040-e00a18064a99)

Als ich diesen Teil der Ausstellung im Auswandererhaus betrat, verstand ich Minnie. Ich fühlte mich dem Schicksal ausgeliefert, verängstigt. Ich war froh zu wissen, dass Minnie und Peter Ellis Island nie betreten haben. Als das Reiseziel New York feststand, setzten die Beiden alles daran von der Liste der dritten Klasse, auf der sie schon eingetragen waren, gestrichen zu werden. Die Erzählungen Reisender müssen so nachhaltig gewirkt haben, dass niemand, der es anders einrichten konnte, über Ellis Island einreisen wollte. Minnie und Peter haben es glücklicherweise geschafft auf die Liste der zweiten Klasse zu gelangen. Wohlbehalten erreichten sie am 26. November 1927 New York.