Tauchen Sie ein ...

Am Sonntag, den 14. Oktober 1923 begann mein neues Leben. Der Abschied von meinem Verlobten Peter, meinem Bruder Friedrich (genannt Büchen), meinen Freunden, dem General und seiner Frau war nicht einfach. Gemeinsam mit Friedrich und Peter fuhr ich mit dem Zug nach Hamburg. Der Bahnmitarbeiter empfahl den Beiden gleich einen Rückfahrschein für 99 Millionen Mark zu kaufen, sonst würde das Geld nicht mehr für die Rückfahrt nach Hannover reichen. Es war Oktober 1923, die Inflation war sehr hoch.

 

Ich traf Mrs. Brigitte Hohlt in Hamburg, um an Bord der fast noch neuen Eupatoria (Hamburg-Amerika-Linie) zu gehen, die mit Mrs. Hohlt, den beiden Jungs Hellmuth und Rainer (vier und sechs Jahre alt), Käthe und mir über Antwerpen nach West-Indien segeln sollte. Käthe hieß eigentlich Martha Gewecke, kam aus Hannover und arbeitete als Hausgehilfin für die Hohlts. Sie war für die Jungs zuständig. Es waren außerdem noch zwei Gentlemen an Bord, der Optiker Walter Schmidt und der Kaufmann Wilhelm Noltenius, die nach Venezuela bzw. Jamaika fuhren. Wir waren also nur sieben Passagiere.

 

Unser Kapitän war Karl-Adam Graf von Luckner, der Bruder des bekannten Seeteufels Felix Graf von Luckner. Die Brüder müssen wie Tag und Nacht gewesen sein, denn unser Kapitän war ein sehr kultivierter Graf.

 

Als wir Helgoland nach einem köstlichen Abendessen passierten, fragte mich Mrs. Hohlt wie ich mich fühlte. Ich sagte: "Ganz gut." Zehn Minuten später hing ich über der Reeling und fütterte die Fische. Drei Tage lang war ich sehr seekrank, konnte den Geruch von Essen nicht aushalten, wollte sterben und sagte, ich wolle keine dritte Seereise unternehmen. Denn ich wusste, in zwei Jahren geht es per Schiff zurück nach Deutschland. Aber nach drei Tagen gewöhnte ich mich an den Seegang und der Rest der Reise war angenehm. Wir aßen gemeinsam mit dem Kapitän, dem ersten Offizier und dem Ingenieur im Speisesaal. Manchmal hatten wir raue See und mussten mit unseren Suppentellern balancieren. Nach 21 Tagen, am 4. November 1923, landeten wir in Puerto Plata, einem Hafen von Haiti.

 

Der Kaufmann und Wahlkonsul Johann Julius Hohlt erwartete uns schon am Pier. Zunächst fuhren wir alle in ein Hotel, Mr. und Mrs. Hohlt gingen am Abend aus. Käthe und ich aßen im Speisesaal - wir konnten nicht ein Wort spanisch! Während wir „komisches“ Essen bekamen, sahen wir unseren Tischnachbarn zu, in der Hoffnung uns etwas abgucken zu können. Sie legten die Avocados in klare Suppe, was wir auch versuchten, aber nicht mochten (später haben wir es geliebt). Schließlich wurden wir durstig und wollten Wasser trinken, wussten aber nicht, wie wir danach fragen sollten. Trotz aller möglichen Bewegungen konnten wir uns nicht verständlich machen. Da wir wussten, dass wir wegen der Durchfallgefahr kein Wasser aus der Leitung trinken durften, gingen wir an unserem ersten Abend in Puerto Plata nicht nur hungrig sondern auch durstig zu Bett. ...